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Was ist mir mein Glaube wert?

Wandeltheater „Du musst dran glauben“ blickt auf spätes 16. Jahrhundert – Großes Ensemble und vier Spielstätten – Historische Quellen als Vorlage

Gerolzhofen (POW) „Denk nach, wer könnte Dir so boshaft sein?“, blafft der Centrichter den Buchbinder an. Der ist beschuldigt, ein Zauberer zu sein. „Der Berthold war’s“, vermutet der Beschuldigte. Denn der neide ihm sein Handwerk und habe es zudem auf seine Frau abgesehen. Im Spitalkeller von Gerolzhofen wird an diesem Nachmittag lebendig, was sich vor mehr als 400 Jahren zugetragen hat. Für das Wandeltheater „Du musst dran glauben – Luther, Echter und Gerolzhofen“ proben die rund 60 Akteure an diesem Samstagvormittag erstmals zusammen. Unter dem Titel „Du musst dran glauben“ werden am 24. Mai erstmals die Themen 500 Jahre Reformation und 400. Todestag von Fürstbischof Julius Echter an vier Spielorten in der Steigerwaldstadt Gerolzhofen (Landkreis Schweinfurt) in Form eines Wandeltheaters präsentiert.

„Und stopp. Der Einwurf ‚Hochmut‘ muss schneller und aggressiver kommen“, sagt Regisseurin Silvia Kirchhof vom Kleinen Stadttheater Gerolzhofen. Ein kurzes Nicken beim Centrichter-Darsteller Klaus Vogt, und die Szene beginnt an exakt dieser Stelle von Neuem. „Es macht viel Freude, dieses Stück zu inszenieren. Die Mitwirkenden sind alle total motiviert und geradezu probewütig“, sagt  Kirchhof. Die Schauspielerin, Chansonnière und Regisseurin hat in Gerolzhofen im Jahr 2015 mit „Fräulein Schmitt und der Aufstand der Frauen“ schon ein anderes Großprojekt auf die Beine gestellt.

Für „Du musst dran glauben“ haben Christine Weisner und Roman Rausch, basierend auf historischen Quellen, die Vorlage geschrieben. So werden die Menschen des späten 16. Jahrhunderts lebendig: Woran müssen oder wollen sie glauben? Ist es die althergebrachte, katholische Lehre oder eher die neue von Martin Luther aus Wittenberg? „Mit dem Stück wird Geschichte in historischer Kulisse lebendig“, schwärmt Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak. Die Stadt im Steigerwald steht mit 170 Einzeldenkmalen unter Ensembleschutz und sei daher bestens für ein historisches Stück geeignet.

In der Stadtpfarrkirche zum Beispiel thematisiert das Wandeltheater die Missstände, die in der alten Kirche herrschen. Viele Menschen wenden sich im Wunsch nach einer Besinnung auf das Evangelium der lutherischen Lehre zu. Über zwei Generationen leben die Menschen in beiden Glaubenswegen miteinander in Frieden. Durch den prunkvollen Einzug von Fürstbischof Julius Echter endet dann aber für Jahrhunderte das evangelische Leben in Gerolzhofen. „Für mich ist die große Herausforderung, dass wir nichts über den Menschen Echter wissen“, sagt Martin Menner, der in dem Stück in die Rolle des Gegenreformators und Fürstbischofs schlüpft. Der Profischauspieler lobt das „wunderbare Ensemble“: „Hier ist jeder bereit, das Beste aus sich herauszuholen.“

Seit Ende Februar proben die Spielteams der einzelnen Szenen jeweils mit Kirchhof. Da ergibt es sich quasi von selbst, dass die Beteiligten sich mit der Zeit auseinandersetzen, in der das Stück spielt. „Gott sei dank habe ich damals nicht gelebt“, sagt Jutta Keller aus Schwebheim. Sie spielt Martha Rösser, die Ehefrau des vom Centrichter der Hexerei beschuldigten Buchbinders. „Die Herausforderung des Wandeltheaters wird es sicherlich sein, viermal an einem Abend mit vollem Einsatz zu spielen.“ Klaus Vogt, im zivilen Dasein Redakteur bei der Lokalredaktion der Main-Post, verdeutlicht in seiner Rolle als Centrichter, wie leicht durch Denunziation aus der Bevölkerung und eine korrupte Justiz menschenverachtende Exzesse erwachsen. „Von den 28 Centrichtern im Hochstift Würzburg war Gerolzhofen eindeutig ein Sonderfall. Mit gefälschten Akten erwarb der Centrichter sich innerhalb kurzer Zeit ein Blutgeld, das ihm ermöglichte, drei Häuser und eine große Mühle zu erwerben“, erklärt Vogt.

Neben der schauspielerischen Leistung tragen auch die historischen Kostüme dazu bei, dass die frühe Neuzeit in ansprechender Weise lebendig wird. Ein Teil der Kostüme stammt aus dem Gerolzhöfer Fundus. Die besonders prächtigen und aufwändigen Kostüme und Requisiten wurden von einer Berliner Firma bezogen, die auch Hollywoodproduktionen im Filmstudio Babelsberg ausstattet. So trägt zum Beispiel der evangelische Pfarrer Reiner Apel als Gerolzhöfer Bürgermeister Caspar Lesch ein Outfit, das ihn aussehen lässt wie den Mann, dessen Konterfei einst den 50-DM-Schein zierte. Was für ihn der rote Faden des Stücks ist? „Die Frage, was mir mein Glaube ganz konkret wert ist!“ In bester ökumenischer Verbundenheit wirkt auch sein katholischer Amtsbruder Pfarrer Stefan Mai mit. Als Bettler sinniert er in der Spitalkirche unter anderem mit anderen Bewohnern des Bürgerspitals darüber, was die Regeln und Gebote der tiefgreifenden Sozialreformen Echters an Vor- und Nachteilen mit sich bringen.

Weitere Spielorte sind die Echtervogtei, die evangelische Erlöserkirche und der Spitalgarten. Die Besucher einer Aufführung werden in vier Gruppen eingeteilt und dann synchron von Schauspielern, die szenisch auf die nächste Station vorbereiten, zur jeweils nächsten Spielstätte geführt. Im Spitalgarten kommen am Ende alle zusammen. Dort treffen in einer komplett fiktiven Szene beim Finale Echter und Martin Luther aufeinander.

„Umbau“, ruft Kirchhof in den Raum. Das Pult des Centrichters wird entfernt, ein paar einfache Holzbänke auf der Bühne platziert. Brav nach Frauen auf der einen und Männern auf der anderen Seite getrennt, beginnen die Spitalbewohner die nächste Szene und beten den Rosenkranz.

Die Uraufführung des Wandeltheaters „Du musst dran glauben – Luther, Echter und Gerolzhofen“ findet am Mittwoch, 24. Mai, statt. Bis Sonntag, 28. Mai, sowie von Donnerstag, 1. Juni, bis Pfingstmontag, 5. Juni, gibt es weitere Aufführungen jeweils um 19.30 Uhr. Inklusive Pausen dauert das Stück etwa dreieinhalb Stunden. Der Eintritt beträgt pro Person 26 Euro. Am Sonntag, 4. Juni, findet zudem um 14.30 Uhr in der Stadthalle Gerolzhofen eine barrierefreie Vorführung statt. Schirmherr der Veranstaltung ist Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.

Finanziell unterstützt wird das Wandeltheater unter anderem aus Mitteln von Professor Monika Grütters,  Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, vom Kulturfonds Bayern, dem Bezirk Unterfranken, dem Dekanat Castell sowie der Diözese Würzburg. Nähere Informationen im Internet unter www.du-musst-dran-glauben.de.

mh (POW)

(1917/0504; E-Mail voraus)

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