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Stolz auf die Mutter

Rucksackprojekt der Kita Sankt Maximilian Kolbe nimmt sich der Sorgen und Nöte von Spätaussiedlerinnen an – Integration im Dialog

Schweinfurt (POW) „Meine Kinder sind stolz auf mich“, steht auf einem Zettel, „Geborgenheit“ auf einem anderen, der daneben an einem Faden baumelt. Der Traumfänger im ersten Stock der Kita Sankt Maximilian Kolbe hängt voller Gedanken, die die Mütter mit der „Rucksackgruppe“ verbinden. Die Rucksackgruppe, das ist eine Gruppe von Müttern mit Migrationshintergrund, die sich einmal die Woche darüber austauschen, wie sie ihre Kinder fördern können. „Dabei haben wir nicht die Defizite im Blick, sondern begegnen uns auf Augenhöhe“, erklärt Kitaleiterin Ninette Schmitt. Die Frauen brächten Fähigkeiten und Talente in ihrem „Rucksack“ mit, nähmen aus jedem Treffen aber auch wieder Erfahrungen für ihren Alltag mit.

Für dieses Engagement verlieh die Regierung von Unterfranken den Müttern der Rucksackgruppe den Integrationspreis 2013. Das Team in der Schweinfurter Kindertagesstätte versteht Integration als Dialog. Im Stadtteil Deutschhof, in dessen Zentrum die katholische Kirche Sankt Maximilian Kolbe und direkt daneben die Kita liegen, müssten sie Integration ganz individuell leben, sagt Schmitt: „Sprache ist dazu wichtig, aber nicht der erste Schritt.“ Daher findet die Rucksackgruppe in zwei Sprachen statt. Montags meist auf Deutsch, donnerstags auf Russisch.

Klein Moskau nennen die Schweinfurter den Stadtteil Deutschhof. 75 bis 80 Prozent der Bewohner sind Migranten, die meisten von ihnen Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. So wie Regina Engelhardt, die 1996 aus Kasachstan nach Deutschland kam. „Viele fühlen sich unsicher, haben Sprachprobleme. Beim Arzt übersetzen dann die Kinder“, beschreibt Engelhardt die Situation vieler russlanddeutscher Frauen in der Gegend. Aus dieser Hilflosigkeit will das Angebot der Kita die Frauen befreien. „Wir möchten die Menschen ernst nehmen und haben Vertrauen in die Eltern“, erklärt Engelhardt.

Mit dieser Motivation und dem Gedanken, dass die familiären Wurzeln einer Person Kraft geben, schrieben Schmitt und Engelhardt 2007 gemeinsam einen ersten Brief an die Eltern. Ganz oben stand: „Wir sind deutsch. Aber anders“. Damit trafen sie einen Nerv bei den Frauen. Etwa 15 Mütter kamen und tauschten sich über ihre ganz persönliche Situation als Spätaussiedlerinnen in Schweinfurt aus. „In Russland waren wir Deutsche, hier sind wir Russen“, beschreibt Engelhardt die Zwickmühle. Am Anfang ging es um grundsätzliche Fragen: Wo stehe ich und was brauche ich? „Nur starke Mütter können ihre Kinder zu starken Kindern erziehen“, sagt Schmitt.

Sechs Jahre später treffen sich regelmäßig acht bis zehn Mütter zum gemeinsamen Austausch, Basteln, Volkshochschulkursen oder Museumsbesuch. Sie sprechen über Themen wie Dank, Trauer oder Mitgefühl und wie sie diese ihrem Nachwuchs näherbringen können. Die kleinsten Kinder, wie der zweijährige Oliver, sind immer mit dabei. In der Rucksackgruppe sprechen die Frauen ganz offen über Privates. In Einzelgesprächen vertrauen sie Engelhardt oft ihren ganz persönlichen Kummer an.

Die 44-Jährige, die in Kasachstan Lehrerin für Deutsch und Recht war, ist für viele Mütter der Gruppe zum Vorbild geworden. „Die Frauen sind so neugierig, sie wollen, dass ich mich immer noch weiter fortbilde“, sagt Engelhardt. An der Katholischen Akademie Domschule in Würzburg absolvierte sie ein Theologie-Fernstudium, seit letztem Jahr ist sie zertifizierte Elternberaterin. Seit Beginn des Projekts sieht Engelhardt viele Fortschritte bei den Frauen und auch, wie der Nachwuchs sie wahrnimmt: „Früher haben die Kinder ihrer Mutter verboten, ans Telefon zu gehen, wenn es klingelt. Sie haben sich für das schlechte Deutsch ihrer Mutter geschämt. Heute sehen sie, wie ihre Mutter jede Woche hierher kommt, und sie sind stolz auf sie.“

Christoph Niekamp (POW)

(4413/1091; E-Mail voraus)

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