Rom/Würzburg (POW) Ein Raunen geht durch die Menge. Dann blicken alle auf dem Petersplatz in Richtung des Schornsteins an der Sixtinischen Kapelle. Es ist kurz nach 18 Uhr am Donnerstag, 8. Mai. Weißer Rauch quillt empor. Die Glocken des Petersdoms beginnen zu läuten. „Hab‘ ich nicht gesagt, wir kommen pünktlich dazu?“, ruft Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran der kleinen Gruppe von Frauen und Männern aus dem Bistum Würzburg zu.
Nach einer ausführlichen Tour durch das touristische Rom am ersten Tag der Wallfahrt zum Heiligen Jahr für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums haben an diesem Abend nicht mehr alle die Energie, sich durch die Menschenmenge in der Via della Conciliazione, der Straße, die von der Engelsburg direkt zum Vatikan führt, zu schlängeln. Es geht vorbei an geschätzt 100 Fernsehkameras, die ebenerdig in einem abgesperrten Bereich der Straße stehen. Ebenso viele haben auf zwei erhöhten Gerüsten an der Engelsburg und gegenüber des Petersplatzes Aufstellung bezogen.
An den Sicherheitsschleusen in den Kolonnaden stauen sich die Massen, die auf den Petersplatz drängen. Zwei italienische Polizisten in Overalls weisen die Deutschen in Richtung einer gerade geöffneten Gasse mit Röntgengerät. Kaum haben Vorndran und seine Begleiter den Platz betreten und sich mittig vor der Loggia des Petersdoms platziert, bricht der Jubel los. „Es ist eine unfassbare Stimmung. Die Leute sind völlig aus dem Häuschen“, sagt der Würzburger Generalvikar. Heute bei einem solchen Weltereignis dabei zu sein, „einfach weil wir als Pilger der Hoffnung im Heiligen Jahr hierhergekommen sind – das ist schon ein großes Glücksgefühl“.
Dommesner Thomas Schumann ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Er bringt es auf die kurze Formel: „Einmalig, ein Gefühl wie damals bei der Wende.“ Alexandra Eck, zuständig für die Besucherpastoral am Würzburger Kiliansdom, schaut gebannt in Richtung des Balkons. „Jetzt wird es spannend.“ Wer der neue Papst ist, weiß auf dem gesamten Platz noch keiner.
Mit dröhnenden Trommelschlägen marschieren uniformierte Blaskapellen von Militär und Polizei zusammen mit der Schweizer Garde, gekleidet in ihre bunten Festtagsuniformen und mit rotem Federschmuck an ihren Helmen, über den Platz und die Treppen hinauf zum erhöhten Vorplatz an der Fassade des Petersdoms.
Fast eine Stunde ist seit den verheißungsvollen Rauchzeichen vergangen. Die Menschen auf dem Platz haben sich die Zeit mit dem Drehen von Videos und dem Winken in Richtung der Fernsehkameras vertrieben. Da öffnen sich die Türen der Mittelloggia und Kardinal Dominique Mamberti, der dienstälteste Kardinaldiakon unter 80 Jahren, tritt heraus. „Annuntio vobis gaudium magnum: Habemus Papam!“
Robert Francis Prevost laute sein weltlicher Name, als Papst werde er sich Leo XIV. nennen, verkündet Mamberti. „Das ist ein sehr guter, ernstzunehmender Mann. Ein absoluter Überraschungskandidat“, kommentiert das der Generalvikar.
An den Fenstern links und rechts vom zentralen Balkon sind schon die Kardinäle zu sehen. Dort, wo gleich der neue Papst erwartet wird, drapieren eilig Vatikanbedienstete eine große Fahne mit dem Wappen des Vatikans über dem Geländer. „Papa Leone“ klingen derweil schon die Sprechchöre über den Platz. Nach Minuten des Wartens ist es dann endlich soweit: Papst Leo betritt unter tosendem Beifall die Bildfläche. Freude und Rührung sind ihm gleichermaßen anzusehen. Für die Menschen auf dem Platz bieten zahlreiche Videoleinwände besten Blick. Eine Drohne kreist über der Menge und bietet immer wieder spektakuläre Bilder aus der Vogelperspektive.
In geschmeidigem Italienisch spricht Papst Leo zu den Menschen. „Friede sei mit Euch allen.“ An seinen Vorgänger Franziskus anknüpfend, sagt er, dass Gott alle Menschen ohne Bedingungen liebe. Er grüßt besonders die Menschen in Peru, ruft die Kirche dazu auf, eine synodale Kirche zu sein, die sich auf dem Weg befindet, immer den Frieden und die Nächstenliebe sucht und besonders denjenigen nahe ist, die leiden. Zum Schluss erteilt er den Gläubigen den Segen. „Viva il Papa“ – „Es lebe der Papst“ hallt es wie zum Dank vielfach laut über den Platz.
Mit einer Mischung aus Erstaunen und Begeisterung stehen die Würzburger da und schauen sich gegenseitig an. „Sehr sympathisch.“ „Ein faszinierender Mann.“ „Dass wir ein solches Ereignis miterleben, hätten wir uns nicht träumen lassen, als wir heute Morgen um 3 Uhr an der Residenz in den Bus in Richtung Flughafen gestiegen sind.“
Fotos oder Videos an die Menschen daheim schicken, um von dem außergewöhnlichen Ereignis zu berichten und eine erste Einschätzung des Neuen zu geben? Das funktioniert erst so richtig, als sich gegen 20 Uhr der Petersplatz leert. Ein solches Weltereignis bringt offensichtlich auch die moderne Technik an ihre Grenzen.
Aus Rom berichtet Markus Hauck (POW)