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„Das Leben ist ein Pilgerweg“

Interview mit Weihbischof Ulrich Boom zum 75. Geburtstag – „Künftig ruhiger an das Leben herangehen“

Maria Ehrenberg/Würzburg (POW) Weihbischof Dompropst Ulrich Boom vollendet am Sonntag, 25. September, sein 75. Lebensjahr. Um 16 Uhr feiert er am Fest des heiligen Nikolaus von Flüe im Würzburger Kiliansdom aus diesem Anlass eine Vesper. Papst Franziskus hat den von Weihbischof Boom angebotenen altersbedingten Amtsverzicht auf den Dienst als Weihbischof in Würzburg bis zur Bestellung eines Nachfolgers „nunc pro tunc“ angenommen. Im folgenden Interview blickt der Weihbischof auf sein bisheriges Wirken und erzählt unter anderem, was er sich für den Ruhestand vorgenommen hat.

POW: Sie haben am 25. September Geburtstag. Was haben Sie sich selbst vorgenommen für diesen Termin?

Weihbischof Ulrich Boom: Morgens erst mal mich freuen, wie ich das jeden Morgen tue. An jedem Morgen sehe ich mich einmal, und das langt mir auch für den ganzen Tag (lächelt). Am Vormittag werde ich auf dem Käppele die Messe feiern. Als ich nach Würzburg kam, war mein erster Wohnort oben das Käppele. Bei meiner Diakonenweihe war es so, da war die Messe unten im Dom und anschließend habe ich am Nachmittag mit meinem Verwandten- und Bekanntenkreis oben auf dem Käppele die Vesper gefeiert. Jetzt mache ich das umgekehrt. Ich feiere am Morgen, am 25., den Pilgergottesdienst auf dem Käppele, so ganz normal, wie er vorgesehen ist. Und dann ist ja am Nachmittag die Vesper im Dom, wozu der Bischof ja eingeladen hat. Aber sonst? Ja gut, es wird viele Begegnungen geben, und ich hoffe, das hält sich alles in einem Rahmen. Ich freue mich immer bei meinen Geburtstagen, dass ich ein bisschen davon ablenken kann, denn er fällt auf den Gedenktag eines großen Heiligen. Das ist Nikolaus von Flüe, der ist ein guter Patron für die Bescheidenheit und für die Demut.

POW: Warum haben Sie sich für Maria Ehrenberg als Ort für dieses Interview entschieden?

Boom: Es gibt viele schöne Wallfahrtsorte und besondere Orte in unserer Diözese. Aber für mich ist Maria Ehrenberg so ein ganz sinnträchtiger Ort. Maria Ehrenberg liegt mitten in einem Truppenübungsplatz. Und für mich ist das beispielhaft. Das ganze Leben kann manchmal so sein wie eine Truppenübung – mit all den kleinen und großen Kriegen in der weiten und in der nahen Welt. Da ist es wichtig, eine gute Patronin zu haben. Die Mutter Gottes sorgt dafür, dass man das Vertrauen in Gott nicht verliert und dass man die Ruhe behält.

POW: Wie fühlen Sie sich denn jetzt kurz vor dem altersbedingten Amtsende? Sind Sie froh? Sehr traurig?

Boom: Ich weiß gar nicht, ob es ein Amtsende gibt. Das kennen wir ja eigentlich nicht. Wenn einer zum Diakon, zum Priester oder zum Bischof geweiht wird, dann bleibt er dies das ganze Leben lang. Aber es wird einfach ruhiger und es ist nicht mehr so ein ambitionierter Kalender. So erhoffe ich das wenigstens für die nächsten Wochen und bis der neue Weihbischof kommt, dass ich ruhiger an das Leben herangehen kann.

POW: Das heißt aber: Bis ein neuer Weihbischof kommt, sind Sie noch voll im Einsatz?

Boom: Ja, ich werde schon mal ein bisschen reduzieren, wo es geht. Ich fühle mich ganz gesund, aber das werde ich sehr wahrscheinlich tun.

POW: Freuen Sie sich denn schon, dass es ein bisschen ruhiger wird? Oder ist da eher auch Skepsis und die Frage, was Sie künftig mit Ihrer Zeit anfangen?

Boom: Zu tun habe ich genug. Ich habe genügend in den Schubladen, was ich noch machen könnte, noch schreiben oder wen ich besuchen könnte. Es ist ja vieles auch im Freundes- und Verwandtenkreis auf der Strecke geblieben. Insofern freue ich mich darauf, dass ich das in einer ruhigeren Zeit angehen kann. Aber ansonsten Nein, ich werde ja Bischof bleiben. Und der Dienst vor Gott und für die Menschen, der bleibt ja.

POW: Und gibt es ganz klare Punkte wo Sie sagen: Ab dem 26. September will ich das unbedingt machen?

Boom: Ich bin ja viel auf den großen Pilgerrouten der Welt unterwegs gewesen, und da darf ich noch mal vom Bayerischen Pilgerbüro eine Gruppe nach Santiago de Compostela begleiten. Der Jakobsweg bedeutet mir sehr viel und da freue ich mich natürlich sehr drauf.

POW: In Ihrem Wappen ist ja die Jakobsmuschel zu sehen. Was verbinden Sie denn mit dem heiligen Jakobus?

Boom: Die Jakobsmuschel ist mit dem heiligen Jakobus verbunden, aber die Muschel steht eigentlich für den Pilgerweg insgesamt. Unser ganzes Leben ist ein Pilgerweg, vom Anfang bis zum Ende, von der Geburt bis zum Tod. Ich bin mehrmals in Santiago de Compostela gewesen, auf unterschiedliche Art und Weise und auf verschiedenen Wegen, zum Teil zu Fuß, von Frammersbach aus mit dem Fahrrad, aber auch mal von Sevilla aus mit dem Fahrrad nach Santiago. Und dann habe ich Gruppen begleitet. Insofern ist der heilige Jakobus ein guter Patron. Wenn man beim Jakobus ist, dann ist man aber noch nicht beim Herrn und hat auch noch nicht das Ziel erreicht. Das ist erst da, wo sozusagen der feste Grund und der Fels in das Meer übergeht, wo wir uns ganz vertrauensvoll – das meint ja das Bild der Jakobsmuschel – vertrauensvoll in die Hände Gottes fallen lassen können.

POW: Sie sind vor ihrer Bischofsweihe von Miltenberg nach Würzburg gepilgert. Warum haben Sie das gemacht?

Boom: Der Lebensweg ist wie gesagt ein Pilgerweg. Das hören wir ja oft in den Gebeten der Kirche. Ich habe das auch vorher schon gemacht. Von Frammersbach bin ich auch nach Miltenberg gelaufen und dann von Miltenberg nach Würzburg. Wenn man den Pilgerweg des Lebens beendet, wird man dann das letzte Stück liegend machen. Wir werden zur letzten Ruhestätte getragen (schmunzelt).

POW: Erinnern Sie sich noch, wie es war, als Bischof Dr. Friedhelm Hofmann Sie angerufen hat und hat gefragt: Möchten Sie der Weihbischof sein?

Boom: Der hat nicht gefragt, ob ich möchte. Er hat gesagt, der Heilige Vater möchte, dass ich der neue Weihbischof in Würzburg sein soll. Dann habe ich gefragt: Wie komme ich aus dieser Nummer raus? Bischof Friedhelm hat dann gesagt: Eigentlich gar nicht. Ich habe geantwortet: Ich möchte mir das doch noch mal ein bisschen überlegen. Und wie Bischof Friedhelm ist, hat er gesagt: Ja, dann überlegen Sie sich das mal in einem Stündchen. Ich sage: Ein Stündchen hilft mir nichts, da brauche ich ein bisschen mehr Zeit. Er hat mir einen Tag gegeben.

POW: Sind Sie jetzt glücklich, dass Sie Weihbischof geworden sind, oder war es dann eher: „Ich muss“?

Boom: Ich habe alle Dinge des Lebens immer angenommen. Ich bin glücklich geworden und glücklich gewesen. Das heißt ja nicht, wie sonst im Leben auch, dass alles immer Hoch-Zeiten sind. Es gibt auch Tiefzeiten, in denen man sich fragt: Warum hast du das eigentlich gemacht und warum hast du dazu ja gesagt? Aber das wird sich ein Ehepaar auch manchmal fragen: Warum sagst du zu dem Mann und zu dieser Frau Ja gesagt, und dann rauft man sich wieder zusammen. Ähnlich ist das mit dem Dienst als Priester, als Bischof. Nicht, dass das alles fraglos wäre, aber grundsätzlich: ja, ich bin glücklich und zufrieden.

POW: Was waren Ihre persönlichen Höhepunkte in Ihrem Wirken als Bischof?

Boom: Höhepunkte waren ganz bestimmt die vielen Firmungen, dann die Altarweihen. Ein Höhepunkt war ganz bestimmt oder immer wieder, die Gemeinden zu erleben. Ich habe ja eigentlich Glück. Ich erlebe bei den Firmungen immer in der Regel volle Kirchen und eine junge Kirche. Die Paten sind nicht alt, die Eltern sind nicht alt, es sind mal ein paar Großeltern dazwischen. Das erleben viele Pfarrer nicht so. Da ist es meist so, dass in den Gemeinden oft nur ältere Menschen sind. Die Kirchen werden leerer oder sind nicht so gefüllt Das hat sich noch mal potenziert jetzt in der Coronapandemie. Aber ich habe genau das Gegenteil erlebt. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Was ich erfahre ist eine junge Kirche und dann dieses große Engagement der vielen Menschen in den Gemeinden, die da ehrenamtlich oder auch im Gebet vielseitig Gemeindeleben tragen und unterstützen. Und das erfahren zu haben, das ist ganz bestimmt ein Höhepunkt.

Ein zweiter Höhepunkt als Weihbischof war, dass ich für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit im Blick auf die Deutsche Bischofskonferenz und für die deutsche Kirche verantwortlich war. Wir sind ja in Maria Ehrenberg, bei der Mutter der Barmherzigkeit. Gern erinnere ich mich an die Besuche in Diözesen und Gemeinden und natürlich auch an die Eröffnung und den Abschluss des Heiligen Jahres in Rom.

POW: Das hat sie nachhaltig geprägt.

Boom: Auch beeindruckt und beeinflusst. Es ist toll, ein Stück Weltkirche zu erleben. Das ist nicht nur so eine partielle Kirche in den Gemeinden oder auch nicht nur eine Ortskirche wie die von Würzburg, sondern wir sind in einem Verbund von vielen unterschiedlichsten Menschen. Das sagt es ja auch, wenn wir Partnerdiözesen in Óbidos oder in Mbinga haben. Wir stehen nicht alleine in dieser Welt mit dem Evangelium da.

POW: Sie waren ja auch schon in Mbinga.

Boom: Das Partnerbistum in Tansania habe ich mehrmals besucht. Beispielsweise habe ich Grundsteine gelegt beim Krankenhaus in Litembo. Ich werde erneut dort sein, wenn die neuen entsprechenden Gebäude eingeweiht werden. Aber ebenso war ich auch in unserem brasilianischen Partnerbistum Óbidos am Amazonas.

POW: Was waren denn die besonderen Herausforderungen Ihrer Amtszeit? Sie haben ja vorhin schon gesagt: Es ist nicht immer alles schön.

Boom: Die Herausforderung ist ganz bestimmt bei all dem, wie es um Kirche steht: den Kopf hin zu halten für Jesus Christus und die Freude am Evangelium nicht zu verlieren. Ich denke, das ist das Entscheidende. Es gibt die Krisen. Es gibt viele Dinge, die schwierig sind. Man muss Dinge neu organisieren. Das gilt ja nicht nur für unsere Diözese. Das gilt für viele Diözesen in Deutschland. Wir werden uns finanziell ganz neu aufstellen müssen, und das wird alles gar nicht so einfach sein. Die Herausforderung ist, dass wir bei all dem, wo wir über Strukturen und Finanzen reden, nicht vergessen: Es gibt etwas viel Größeres. Der Herr der Kirche ist Jesus Christus, und der hat uns das Evangelium geschenkt, dass wir von Gott geliebt sind und dies ist in die Welt hineinzutragen. Nicht unsere Finanzsorgen und nicht, wie wir uns organisieren. Manchmal merkt man schon nach fünf oder zehn Jahren, dass das alles dann schon wieder überholt ist. Aber das Evangelium ist nie überholt.

POW: Wie ist denn das Auswahlprozedere für Weihbischöfe?

Boom: Bei den Weihbischöfen ist es so, da hat der Ortsordinarius, jetzt zum Beispiel der Bischof von Würzburg, unser Bischof Franz, schon einen Einfluss – glaube ich wenigstens. Es ist ja auch wichtig, dass der Bischof und sein Weihbischof gut kooperieren und dass eine Kommunikation da ist. Bei den Ortsbischöfen, da benennt ja das Kapitel, je nach Vorgabe des jeweils gültigen Konkordats mit Rom, Kandidaten. Das genaue Vorgehen ist ja auch Thema beim Synodalen Weg. Wie kann das Volk Gottes insgesamt mehr beteiligt werden bei den Bischofsernennungen oder -bestellungen? Beim in Bayern gültigen Konkordat haben wir als Domkapitel gar nicht so viel Einfluss. Wir machen alle drei Jahre eine Liste, die bei der Nuntiatur abgegeben wird. Aber das kommt alles in einen großen Topf, und in Rom wird aus diesem großen Topf gezogen. Also es ist da gar nicht so einfach mit der Bischofsbestellung. Das müsste man mal, oder muss man glaube ich, in der ganzen Diskussion grundsätzlich angehen. Es ist ja auch in den Ländern sehr, sehr unterschiedlich.

POW: Aber jetzt zum Beispiel in Deutschland ist es doch meistens so, dass der Weihbischof schon aus der Heimatdiözese kommt?

Boom: In der Regel ist der Weihbischof ein Priester in der Diözese. Ich bin ja in Würzburg zum Diakon, zum Priester und zum Bischof geweiht worden. Neulich gab ich eine Domführung und sagte mir: Du hast da dreimal im Chorraum des Dom für die unterschiedlichen Weihen mit dem Gesicht zur Erde gelegen. Wenn es einigermaßen geht, wird es so sein, dass, wenn ich zum letzten Mal da liege, ich mit dem Blick zum Himmel dort liegen werde.

POW: Wie haben Sie seinerzeit Ihre Bischofsweihe erlebt? War das was Besonderes für Würzburg?

Boom: Der letzte Bischof, der vor mir im Kiliansdom geweiht worden ist, war mein Vorgänger, Weihbischof Helmut. Aber auch unser Bischof Franz wurde im Dom geweiht. Er war ja zuvor noch nicht Bischof. Eine solche Bischofsweihe ist für eine Diözese schon ein besonderes Ereignis. Das liegt natürlich auch an der ergreifenden Liturgie mit tiefen Bildern. Wenn der Kandidat auf dem Boden liegt und alle Heiligen angerufen werden. Es ist ja fast wie ein Schöpfungsritus. Oder wenn dem Bischof das Evangelium wie ein Haus über das Haupt gehalten wird. Damit wird ja letztlich gesagt: Behalt' deinen Kopf in diesem Haus, das das Evangelium dir schenkt. Da ist so ein Platz bei Gott für ganz, ganz viele Meinungen, Richtungen und Denkweisen. Sorge Du dafür, dass alle in diesem Haus einen Platz haben.

POW: Und wie war die Ernennung zum Weihbischof für Sie persönlich?

Boom: Ja, das ist so wie bei vielen Dingen im Leben: Man merkt es nachher, was dann war. Da stürzt so viel auf einen ein. Da ist es erst mal gut, wenn man vorher zur Ruhe kommt. Ich habe eine Woche Exerzitien gemacht bei den Jesuiten in Frankfurt, in Sankt Georgen. Am Tag selbst ist dann viel Trubel,  das ist aber ganz normal. Das wird auch ein Ehepaar sagen, das geheiratet hat. Sie merken erst später, wer an Gästen da war, oder auch, was da gewesen ist. Man steckt viel in die Vorbereitung, aber erst im Nachhinein kommt es bei einem an.

POW: Bleiben Sie mit dem Ende Ihrer aktiven Zeit in Würzburg oder gehen Sie zurück ins Münsterland?

Boom: Ich habe zwischendurch schon als Pfarrer überlegt, ob ich irgendwo zum Ruhestand an den Untermain ziehe oder auch in den Spessart oder in Richtung Miltenberg. Nein, ich bleibe in Würzburg. Zum einen schafft ein Umzug ganz viel Arbeit und ich habe erschreckend viel mitzunehmen. Ich habe es noch nicht geschafft, mich von vielen Dingen zu trennen. Während meiner Zeit als Weihbischof und Dompropst haben wir die Kapitelshäuser am Kardinal-Döpfner-Platz saniert. Ich habe dort einer der kleineren Wohnungen genommen. Ich wohne sozusagen über den Dächern von Würzburg. In Alstätte im Münsterland, wo ich herkomme, lebt von der Verwandtschaft einzig und alleine noch meine Schwägerin im Ort. Die Klassenkameraden, die sind ja gleichaltrig, vielen geht es zum Teil gesundheitlich nicht so gut wie mir. Andere sind auch schon gestorben. Wenn ich in die Sakristei meiner Heimatkirche komme, dann schauen mich manchmal die Ministrantinnen und Ministranten fragend an: Wo kommt der denn her? Ich bin ja 40, fast 50 Jahre von dort weg.

POW: Würzburg freut sich, wenn Sie da bleiben.

Boom: Ich hoffe ja.

POW: Haben Sie schon Ihre Grabstelle ausgesucht?

Boom: Ja. In der Sepultur des Doms sind noch zwei Plätze frei – für Weihbischof Helmut Bauer und für mich. Wenn ich unterwegs irgendwo in der Welt sterben sollte, dann kann ich mir auch vorstellen, dass man mich dort lässt, wo ich gestorben bin. Das wird sich klären.

POW: Das haben Sie vielleicht gar nicht mehr in der Hand.

Boom: Man hat sowieso das Leben nicht in der Hand. Das sage ich ganz gerne auch bei Firmungen. Wir haben das Leben nicht in der Hand und die Welt nicht im Griff. Manchmal denke ich, Gott hat diese Welt auch nicht im Griff und er will sie auch gar nicht im Griff haben. Aber er hat sie in der Hand, er hält uns, und das ist das Hoffnungsvolle, was das Evangelium uns auch immer wieder schenkt.

POW: Sie haben ja damals ein Evangeliar geschrieben, das bei ihrer Bischofsweihe ja auch noch mal über Ihr Haupt gehalten wurde. Wie kam es denn dazu?

Boom: Diese Evangeliar habe ich während meines Pastoraljahres in Schweinfurt geschrieben, das war sozusagen meine Abendmeditation. Da habe ich über viele Wochen und Monate immer ein Kapitel aus den vier Evangelien abgeschrieben und habe dann auch Bilder dazu gemalt. Wenn ich vom Evangelium spreche und davon, dass es mir ganz viel bedeutet hat, dann hat das, glaube ich, auch etwas damit zu tun, dass ich so etwas getan habe. Es ist ja noch mal etwas anderes, selbst etwas mit der Hand zu schreiben oder ob es einfach, ich weiß nicht, wie man das macht, am Computer ausschneidet und dann einfach irgendwo wieder hineinkopiert. Beim Schreiben mit der Hand geht einem der Inhalt ein bisschen mehr in Fleisch und Blut über. Insofern hat mir das auch ganz, ganz viel bedeutet. Der Einband besteht aus den Treppenstufen meines Heimatkirchturms und einem Stein, der aus dem Konzentrationslager in Dachau kommt. Dorthin habe ich eine sehr gute Verbindung zu den Karmelitinnen. Das sind aber weitere Geschichten.

POW: Deutschlandweit waren sie einmal ganz groß in der Presse. Als Sie 2006 die Kirchenglocken geläutet haben, um eine Kundgebung von Nazis zu stören, wurden Sie ja sogar als Camillo von Miltenberg oder Glöckner vom Untermain betitelt. Hat diese Aktion Ihnen auch Gehör in Würzburg verschafft?

Boom: Das glaube ich nicht. Gekannt hat man mich früher schon, ich war Dekan. Ich war im Spessart im Dekanat Lohr über viele Jahre Dekan. Dann war ich Diözesan-Vorsitzender vom Deutschen Katecheten-Verein, der sich um den Religionsunterricht und um die Katechese in den Gemeinden und an den Schulen kümmert. Und ich war stellvertretender Vorsitzender im Deutschen Katecheten-Verein in München. Also ich glaube, ich war in der Diözese auch ohne das Glockengeläut kein unbeschriebenes Blatt.

POW: Und werden Sie heute noch oft auf das Glockengeläut angesprochen?

Boom: Das passiert immer wieder, und es wird auch als positiv registriert, was mir natürlich nicht so gefällt, dass mit diesem Don Camillo. Ich denke immer, der ist viel, viel größer als der damalige Pfarrer Boom. Camillo hatte einen ganz persönlichen Kontakt zu Jesus. Das finde ich in diesem Film immer sehr schön und das möchte ich auch manchmal so haben, dass Jesus  laut mit mir spricht. Nicht, dass er mir nichts sagt, aber manchmal wünsche ich mir schon, dass er mit mir so spricht wie im Film mit Don Camillo. „Ulrich, nimm's doch ein bisschen leichter, ich trage dies und jenes in deinem Leben mit.“ Da ist er manchmal doch arg still, der Herr Jesus in meinem Leben.

POW: Was würden Sie denn Ihrem Nachfolger wünschen?

Boom: Dass er die Freude am Evangelium in die Welt hineinträgt. Ja, und die Freude am Evangelium und die Wertschätzung der vielen Menschen in den Gemeinden, die den Glauben leben – ganz, ganz unterschiedlich. Es gibt keine Uniformität in der Kirche. Es ist einfach so, dass wir in einer großen Vielfalt in Einheit miteinander leben und dass wir das fördern als Bischöfe, letztlich auch als Pfarrer und als Priester, als Diakone und als viele Ehrenamtliche, die Verantwortung haben in den Gemeinden. Auch die pastoralen Mitarbeiter, die in einer versöhnten Vielfalt miteinander den bezeugen, der uns Einheit schenkt. Und das ist Jesus. Wie hat Bischof Paul-Werner gern gesagt: Miteinander vereint brachen sie auf.

POW: Sie hatten damals bei Ihrer Einführung angegeben, dass Sie gerne in die Berge gehen, zum Wandern, Klettern und natürlich dass Sie gerne Fahrrad fahren. Haben Sie diese Hobbys behalten oder haben Sie neue noch gewonnen?

Boom: Ich habe es in den vergangenen Jahren auch gelernt, dass ich ganz ruhig am Strand liegen kann. Zu Pfingsten war ich mal wieder in den Bergen in Südtirol. Das hat mir gefallen und ich habe dann aber gelernt: Ulrich, du bist älter geworden und du solltest Gehstöcke nehmen. Ich habe mir jetzt auch welche besorgt, aber in meiner Eitelkeit habe ich damals keine genommen, weil ich dachte, das ist nur etwas für ältere Menschen. Ich habe mir ein Knie ein bisschen verletzt, aber das ist wieder gut geheilt.

POW: Sie sind heute 252 Stufen hochgelaufen.

Boom: Da gibt es Schwierigeres.

Interview: Anna-Lena Ils (Medienhaus des Bistums)