Würzburg (POW) Mit großer Trauer haben das Bistum Würzburg und der Diözesan-Caritasverband auf den Tod der Caritas-Ehrenvorsitzenden und Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm reagiert. Sie starb im Alter von 77 Jahren am Mittwochmorgen, 5. Oktober, in Würzburg nach schwerer Krankheit. „Wir verlieren mit ihr eine Frau von großer Entschiedenheit, aber auch großer Willenskraft. Eine Frau, für die das C in CSU, die christliche Überzeugung nicht nur ein Wort war, sondern eine Lebenshaltung, gespeist aus ihrem eigenen Lebensweg“, sagte Bischof Dr. Franz Jung. Stamm habe sich vieles in ihrem eigenen Leben erarbeiten müssen und habe daher eine besondere Sensibilität für Benachteiligte gehabt. „Ihr Wort hatte Gewicht weit über Unterfranken hinaus. Mit ihrer Unterstützung konnten wir vieles auf den Weg bringen, was Menschen geholfen hat, was die ganze Region vorwärts gebracht hat.“ Stamm sei auch in den letzten Stunden ihres Lebens ihren Lebensweg gegangen in der christlichen Überzeugung, dass sie ihr Leben zurückgeben darf in die Hände dessen, der sie geschaffen und auf den hin sie gelebt, zu dem sie gebetet habe. Das habe er bei einem Besuch am Krankenbett verspürt, berichtete der Bischof. Er dankte Stamm für ihr vielfältiges Engagement.
Die Caritasfamilie trauere mit Barbara Stamms Mann Ludwig, ihren drei erwachsenen Kindern und deren Familien, erklärte Domkapitular Clemens Bieber. Stamm habe sich „meiner Caritas“, wie sie den unterfränkischen Wohlfahrtsverband gerne bezeichnete, bis zum Schluss aufs Engste verbunden gefühlt. 15 Jahre lang engagierte sie sich als Zweite Vorsitzende und seit fast sieben Jahren als Ehrenvorsitzende segensreich für die Anliegen der unterfränkischen Caritas.
Am 29. Oktober 1944 in Bad Mergentheim in eine schwierige Zeit und eine persönlich nicht einfache Situation hineingeboren, erarbeitete sie sich mit großen persönlichen Opfern die Ausbildung als Erzieherin bei den Kreuzschwestern in Gemünden. Danach engagierte sich Stamm beruflich mit hohem Einsatz in der kirchlichen Jugendarbeit und weiteren Jugendhilfeeinrichtungen. Von daher blieb für sie in ihrer politischen Arbeit die Kinder- und Jugendhilfe, der Einsatz für Familien, Alleinerziehende, Flüchtlinge und Menschen in Krankheit und Alter auf der Tagesordnung – bis zum Schluss. „Sie galt stets als das soziale Gewissen nicht nur ihrer Partei, sondern Bayerns“, sagte Bieber. Sie habe die Konfrontation nicht gescheut, wo es um mehr Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich gegangen sei. Besonderes Augenmerk legte Stamm auf das Ehrenamt. Sie bekleidete bis ans Lebensende selbst eine Fülle verantwortlicher Positionen ehrenamtlich, etwa in der Lebenshilfe Bayern, im Familienbund der Katholiken (FDK), im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) sowie in der Caritas.
Bistum Würzburg · Zum Tod von Barbara Stamm
Auf Anraten ihrer Religionslehrerin absolvierte Stamm in Gemünden eine Ausbildung zur Erzieherin. Am Beginn der 1970er Jahre arbeitete sie als Erziehungsleiterin im gerade eröffneten Caritas-Kinder- und Jugenddorf Sankt Anton in Riedenberg (Landkreis Bad Kissingen). Von 1974 bis 1989 leitete die gelernte Erzieherin das Schifferkinderheim in Würzburg, ebenfalls eine Mitgliedseinrichtung der Caritas. Die folgenden Jahre waren durch die parlamentarische Arbeit geprägt. 42 Jahre lang (1976–2018) gehörte Barbara Stamm dem Bayerischen Landtag in vielfältigen Funktionen an. Danach war sie bis vor zwei Wochen unermüdlich im ganzen Land unterwegs, um Menschen in ihrem sozialen Einsatz zu bestärken und zu unterstützen.
„Wir haben ihr als Caritas unvorstellbar viel zu verdanken“, sagte Domkapitular Bieber. Stamm habe sich über Jahrzehnte hinweg für die Belange sozial benachteiligter Menschen in Politik und Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft eingesetzt als Sozial- und Gesundheitsministerin (1994-2001), als Vizepräsidentin (2003-2008) und als Präsidentin des Bayerischen Landtags (2008-2018), in zahlreichen Gesellschaften, Ausschüssen, Verbänden und Vereinen. Nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik nutzte sie ihr großes Netzwerk und ihre Beliebtheit im Freistaat, um Menschen auch weiterhin in schwierigen Lebenslagen und -phasen professionelle Hilfe zukommen zu lassen.
Für die Caritas in Unterfranken bleibt, um nur ein Beispiel zu nennen, die gesetzliche Regelung für Landkindergärten, deren positive Auswirkungen bis heute im ländlichen Raum spürbar sind, ein großer Erfolg. „Dass wir heute noch so viele kleine Einrichtungen in den Dörfern haben können, die das Leben dort mitprägen, ist Verdienst von Barbara Stamm“, sagte Domkapitular Bieber anerkennend. Auch das Sanierungsvorhaben des Freistaats für das Kurhaus Hotel Bad Bocklet (2016-2021), eine Einrichtung in Trägerschaft der Caritas Einrichtungen gGmbH, sei maßgeblich durch Stamm angestoßen und begleitet worden. Es sei außerdem Stamms Idee gewesen, dort das Erholungs- und Vorsorgeprogramm „plento“ für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege zu etablieren, erklärte der Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes. „Dass wir in Unterfranken bei den Maltesern seit 2018 ein Kinderpalliativ-Team haben, verdanken wir ebenfalls dem vehementen Einsatz von Barbara Stamm“, unterstrich Bieber.
„Es waren die Prägung der eigenen Kindheit und die Erfahrungen einer ambitionierten Erzieherin, die Barbara Stamm zur empathischen Sozialpolitikerin werden ließen.“ Stamm hat laut Bieber die wichtigen Anliegen der Caritas, von denen sie selbst zutiefst überzeugt gewesen sei, politisch flankiert und gefördert.
Vielfältig wie ihr Engagement sind auch die Auszeichnungen, die ihr zuteilwurden: Bundesverdienstkreuz am Bande (1990), Medaille für besondere Verdienste um Bayern (2004), Bayerischer Verdienstorden (2015), Ehrenbürgerin der Stadt Würzburg (2019), um nur einige wenige zu nennen. Im November 2019 überreichte Bischof Jung zudem den päpstlichen Gregoriusorden an Stamm. 1997 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Medizinischen und Pharmazeutischen Universität Victor Babeș in Timișoara (Rumänien) verliehen. In Rumänien kämpfte sie seit 1990 im Auftrag des Bayerischen Landtags für benachteiligte Mädchen und Buben in Waisenhäusern und auf der Straße und erhielt für ihren unermüdlichen humanitären Einsatz zahlreiche Ehrungen aus dem Balkanstaat.
Das Nachlassen von Stamms Kräften sei in den vergangenen Wochen deutlich sichtbar geworden, sagte Bieber „Sie hat sich über Jahre hinweg verausgabt und nicht geschont.“ Der Ruhestand sei ihr immer fremd geblieben. „Ich bin sehr betroffen, weil mich mit Barbara Stamm auch ein sehr freundschaftliches Verhältnis verbunden hat. Als gläubige Katholikin hat sie darauf vertraut, dass Sterben und Tod nicht das letzte Wort haben werden. Möge sie nun bei Gott eine neue Heimat finden.“