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„Armut trifft uns alle!“

Katholische Verbände im Bistum Würzburg möchten Finger in die „Staatswunde Armut“ legen – Auftaktveranstaltung am 8. Oktober im Burkardushaus

Würzburg (POW) Knapp 19 Prozent der Menschen in Deutschland waren im Jahr 2018 von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Tendenz steigend. Die Folgen der Corona-Krise wie Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und der Wegfall zusätzlicher Einkommensquellen verschärfen die ohnehin schon prekären Lebenswirklichkeiten vieler Menschen in Deutschland noch einmal massiv. Die Politik verspricht, den Wohlstand in Deutschland zu sichern. Wo aber bleiben die Menschen, die schon zuvor nicht von diesem Wohlstand profitiert haben? Wo bleiben die Familien, die sich mit den Gaben der Tafeln ernähren müssen? Wo bleiben die Frauen, die Pfandflaschen aus dem Müll fischen müssen, weil sie von der geringen Rente nicht leben können? Wo bleiben die Kinder, die sich die teuren Endgeräte fürs Homeschooling nicht leisten können? Wo bleiben die Alleinerziehenden, die nun ohne Unterstützung dastehen? Wo bleiben die Arbeitnehmerinnen und -nehmer, die sich aufgrund von Kündigungen oder Kurzarbeit um ihre Existenz sorgen?

Armut betrifft also bei weitem nicht nur Teile der Gesellschaft. „Armut trifft uns alle!“, sagen die katholischen Verbände im Bistum Würzburg. Aus diesem Grund wollen sie in den kommenden drei bis vier Jahren den Finger in die „Staatswunde Armut“ legen. An der Kampagne „Armut trifft...“ beteiligen sich neben dem Familienbund der Katholiken (FDK) als Initiator die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), das Kolpingwerk, die Ackermann-Gemeinde, der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), die Ländliche Familienberatung der Katholischen Landjugend (KLJB) und des Katholischen Landvolks (KLB), die Caritas, der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), die Gemeinschaft Sant‘Egidio und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). In verschiedenen Veranstaltungen greifen die Partner Einzelaspekte heraus und richten in ihrem Unterstützungsangebot den Blick besonders auf das Thema Armut.

Erklärtes Anliegen der Kampagne ist es, die unterschiedlichen Facetten von Armut zu zeigen und in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. „Wir wollen zuhören und Betroffene zu Wort kommen lassen. Wir werden wachrütteln und sensibilisieren, um Augen zu öffnen für das, was tagtäglich um uns herum geschieht“, verspricht der Geschäftsführer des FDK, Manfred Köhler. Dabei wolle man „nicht nur reden, sondern tatsächlich wirken“. Ziel sei es, konkrete Handlungsschritte und gemeinsame politische Forderungen abzuleiten, um sich „zum Sprachrohr für all diejenigen zu machen, deren Nöte nicht gehört oder wahrgenommen werden“.

Zum Auftakt am 8. Oktober 2021 führt Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin, im Würzburger Burkardushaus in das Thema ein. Die renommierte Soziologin hat vor über 20 Jahren den Begriff der Bildungsarmut geprägt. „Armut wird in Deutschland sozial vererbt“, ist die Wissenschaftlerin überzeugt und erinnert zugleich daran, dass es nicht nur um finanzielle Armut gehe, sondern auch darum, dass Kinder keine Freunde, keinen Zugang zu bestimmten Zirkeln oder Geschäften hätten.

Im November 2021 wendet sich der FDK dem Aspekt „Armut trifft… Familie!“ zu. Dass die finanzielle Lage mit jedem zusätzlichen Kind schwieriger wird, ist für den Verband ein unhaltbarer Zustand. Zumal Familien das Rückgrat in der Krise waren und noch immer sind: „Familie ist eine unverzichtbare Lebensform in unserer Gesellschaft und die Stütze unserer Sozialversicherungssysteme“, erklärt der FDK. Familien müssten deshalb „gestärkt und mit Mitteln ausgestattet werden, die ihrer tragenden Rolle im Staat gerecht werden“.

Unter dem Titel „Armut trifft … Arbeitnehmer*innen“ setzt sich die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung im Frühjahr 2022 gegen prekäre Arbeit und für ein christliches Miteinander ein. „Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenwürde und Nachhaltigkeit sind wichtiger als gnadenlose Gewinnmaximierung“, betont der Verband. Private und ehrenamtliche Arbeit seien als ebenso wertvoll einzuschätzen wie Erwerbs­arbeit, prekäre Arbeit dagegen häufig ungeschützt, schlecht entlohnt und perspektivlos.

Kolping beleuchtet im Frühjahr 2022 unter dem Titel „Armut trifft … Jugendliche und junge Erwachsene“ das Armutsrisiko junger Menschen, das so hoch wie in keiner anderen Altersgruppe ist. „Die derzeitige und zukünftige Lebenssituation von Jugendlichen wird immer noch entscheidend durch ihre soziale Herkunft geprägt“, so Kolping. Dies sei umso schwerwiegender, als junge Menschen den Start in ein selbstständiges Leben bewältigen müssen.

Dass die deutsche Landwirtschaft ebenso wie der Pflegebereich und die fleischverarbeitende Industrie auf Saisonarbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa angewiesen sind, ist nicht erst seit der Corona-Krise bekannt. Unter dem Titel „Armut trifft…Arbeitsmigrant*innen“ macht die Ackermann-Gemeinde im Frühjahr 2022 auf die massiven Folgen der saisonalen Migration wie prekäre Arbeits- und Wohnverhältnisse oder die monatelange Trennung von Familien aufmerksam.

Der Katholische Deutsche Frauenbund setzt sich im Herbst 2022 unter dem Titel „Armut trifft… Frauen!“ für gleiche Entlohnung von Frauen und Männern ein. Weitere Forderungen sind eine partnerschaftliche Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit und der Ausbau eigenständiger Rentenansprüche von Frauen, damit die Übernahme von Kindererziehung, Pflege oder gesellschaftlichem Engagement ohne ein erhöhtes Altersarmutsrisiko möglich ist.

Armut in der Landwirtschaft liegt nach Erfahrung der Katholischen Landjugend und des Katholischen Landvolks oft hinter den Fassaden. So bilde der Hof mit Tieren und Feldern die unverzichtbare Grundlage des Familieneinkommens, das nicht selten extrem gering ist. In ihrer ländlichen Familienberatung registrieren die Verbände eine hohe Zukunftsunsicherheit, ein starkes Höfesterben und häufig drohende Altersarmut. 

„Partei ergreifen für Menschen, die am Rande stehen.“ Unter diesem Motto geht die Caritas bewusst dorthin, wo Armut, Ausgrenzung und mangelnde Teilhabe herrschen – zu Wohnungslosen, Überschuldeten, Arbeitslosen, Geflüchteten und Menschen mit Behinderung. „Nur so können wir die Vision von einer solidarischen und gerechten Gesellschaft verwirklichen“, erklärt die Caritas. Der Sozialdienst katholischer Frauen lenkt den Blick auf Kinder-Armut. Bereits 2020 wuchs mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut auf, die Corona-Pandemie hat das Problem verschärft. Der Verband bietet deshalb vielfältige individuelle Unterstützungsangebote und fordert eine Grundsicherung für Kinder unabhängig vom Hartz-IV-System.

Die Gemeinschaft Sant’Egidio kennt das Thema Armut aus der täglichen Arbeit. Die ehrenamtlich engagierten Mitglieder unterstützen Kinder in sozialen Brennpunkten, begleiten Senioren in Heimen und zu Hause, bieten Integrationshilfe für Migranten an, sorgen für warme Mahlzeiten für Bedürftige, arbeiten mit Menschen mit Behinderung und feiern Weihnachten mit ihren ärmeren Freunden. Beteiligen wird sich auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Der Verband setzt sich für die Zukunftsperspektiven benachteiligter Jugendlicher ein und kämpft für ein Grundeinkommen auf der Basis von Erwerbsarbeit, Familienarbeit, Bildung und Bürgerschaftlichem Engagement.

Termine                                                                                                                                        

8. Oktober 2021, 17 bis 21 Uhr im Burkardushaus Würzburg: Auftaktveranstaltung zur Kampagne „Armut trifft…“ mit Professorin Dr. Jutta Allmendinger, musikalisch gestaltet von der Band „Scott Hemingway Quartett“.

20. November 2021, ab 9.30 Uhr im Martinushaus Aschaffenburg: „Armut trifft… Familie“, Familienforum des FDK mit Professor Dr. Christoph Butterwegge.

Anja Legge (FDK)